Samstag, 28. Januar 2012

Der Korken


Der Korken

Die Möbel waren zur Mitte des Zimmers geschoben. Noch am Vorabend hatten die Maler sie sorgfältig abgedeckt. Heute Abend würde die sichelförmige Kerbe verschwunden sein.

Zwanzig Jahre hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, hatte die Ungewissheit nicht ertragen können. Ob er je zur Decke hochgeschaut hatte. Über die Jahre hatte sich die Patina ausgebreitet, hatte die Kerbe im Stuck langsam überdeckt sowie auch in ihrer Beziehung langsam die Höhen und Tiefen ausgeglichen worden waren.

Sie hatte sich geärgert; wusste er denn nicht, dass es längst nicht mehr nicht zum guten Ton gehörte Champagnerkorken knallen zu lassen. Ihre Schwestern hatten ihr dies klar gemacht, wussten sie doch als Flugbegleiterinnen, was sich schickte.

Konnte man überhaupt anknüpfen an eine Geschichte, welche seit vielen Jahren nur noch in ihrer beider Erinnerung weiterlebte? In ihrer schäbigen Bude hatten sie sich noch mit billigerem Asti begnügt. Jetzt musste es zu den Austern was Besonderes sein. Standesgemäss, ihr war plötzlich nicht mehr zum Lachen. Sie hatte ihn um das Treffen gebeten, hatte sich aussprechen, sich erklären wollen. Zu schnell und unbedacht hatten sie sich damals aus den Augen verloren. Vielleicht hätte es ein neuer Anfang werden können. Sie hatte nicht an die Konsequenzen denken wollen. Seine Ungeschicklichkeit hatte sie in die Realität zurückgeworfen.

Mit Schrecken hatte sie der Rückkehr ihres Mannes von seiner Bildungs- und Kulturreise entgegengefiebert. Striche waren für sie immer noch Striche; mochten sie nun über billige oder über teure Leinwände gezogen worden sein. Sie kannte die Unterschiede inzwischen. Konnte auch unterscheiden zwischen Pinselstrichen ohne oder mit Rahmen. Nur, die Faszination hatte nicht ausgereicht um ihn auf seinen zahlreichen Entdeckungsreisen zu begleiten.

Staub setzt sich erst in den Vertiefungen an, hatten sie ihr erklärt. Deshalb waren die Stuckverzierungen in ihrem Salon auch zuerst unansehnlich geworden. Die Maler waren ausnehmend hilfsbereit. Sie stellte ihnen Cafe und Brötchen hin.


*pcf 2011

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