Donnerstag, 15. Dezember 2011

Zwei Bäckereien

Zwei Bäckereien

Nein, er wusste es wirklich nicht. Nicht, wie er ausgerechnet heute hierhergekommen war, und warum. Nachdenklich war er jetzt am Ende der Strasse angekommen, unmittelbar vor der mächtigen, immer noch furchteinflössenden Kirche. Die feine, erstklassige Konditorei gab es nicht mehr. War einem unscheinbaren Gebäude mit Büroräumen gewichen. Wohl gerade noch gebaut, bevor die Denkmalpflege den unschätzbaren Wert der intakten Strassenzeile entdeckt hatte. Kaum je hatte er die Konditorei mit der verlockenden Auslage alleine betreten dürfen. Da war immer seine Mutter dabei gewesen, hatte die feinen Schokoladentorten ausgewählt, die es nur ein-, vielleicht zweimal im Jahr zu besonderen Anlässen gegeben hatte. An der nächsten Ecke, eine Querstrasse weiter, war die eine Bäckerei gewesen. Nur samstags durfte er hier einkaufen gehen; immer hatte ihm die Verkäuferin eine kleine Süssigkeit über den Tresen gereicht. Die andere Bäckerei, noch eine Querstrasse weiter, wohl zwischenzeitlich einem Coiffeur- Geschäft gewichen, doch auch dieses längst wieder Geschichte. Diese Bäckerei war sein Ziel für die gewöhnlichen Wochentage gewesen, Da gab es keine Süssigkeiten für den Knaben auf seiner täglichen Einkaufstour. Gleich gegenüber die Metzgerei, heute offenbar umgenutzt zu Wohnraum. Ja, sie hatten wirklich alles zum Leben gefunden in dieser ruhigen Strasse, wo jeder noch jeden gekannt hatte. Auch ein Modegeschäft hatte es gegeben. Nur zögernd war er jeweils dort eingetreten, wenn er ein geändertes Kleidungsstück hätte abholen sollen. Kam sich fehl am Platz vor, zwischen all diesen Fremden. Meist kamen sie aus andern Quartieren der Stadt hier einkaufen. Fein angezogene Damen und Herren, selten ein kleines Mädchen oder ein Knabe dabei, wie er es damals noch gewesen war. Waren auch die ersten in der Strasse gewesen, welche eine mächtige schwarze Limousine am Strassenrand stehen hatten. Auch dieses Geschäft längst verschwunden. Da wurde ihm unversehens bewusst, dass er seinen Wagen völlig verboten in einer Einfahrt abgestellt hatte. Keine Parkmöglichkeit zu finden, weit und breit. Das hatte die rührige Denkmalpflege wohl nicht geschafft. War nicht im Stande gewesen die endlosen Schlangen an Fahrzeugen aus der einst so gemütlichen Strasse zu verbannen, der kleinen Welt seiner längst vergangenen Jugend.

*pcf 2011

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